Carl Georg Schillings
Aus Spuren, Nr. 43, 2022
Im Januar 1921 verstarb in Berlin der Gürzenicher Afrika-Forscher Carl Georg Schillings. Das Stadtmuseum Düren plante 2021 anlässlich des 100. Todestags dieses berühmten Sohns der Stadt Düren verschiedene Veranstaltungen sowie eine Ausstellung, die aufgrund der Corona-Pandemie verschoben werden mussten. Nun ist es aber soweit: Seit dem 23.01.2022 ist die neue Ausstellung „Jäger, Forscher, Naturschützer – Auf den Spuren von Carl Georg Schillings“ für die Öffentlichkeit zugänglich. Sie beleuchtet in zahlreichen Original-Objekten und historischen Dokumenten sowie faszinierenden Fotografien das kurze, aber facettenreiche Leben eines vielschichtigen und äußerst umtriebigen Mannes, der zu Lebzeiten internationale Bekanntheit erlangte.
Am Abend des 29. Januars 1921 bekamen die achtjährige Anna und ihre Mutter in deren Berliner Wohnung wieder einmal Besuch von einem ihnen bekannten Mann: Es war schon dunkel und wir genossen die Schlummerstunde und schauten auf die Lichter der vorbeifahrenden Züge. Plötzlich klingelte es. Der bewusste Mann stand vor der Tür. Er legte im Flur seinen Mantel ab und ging ins Wohnzimmer. Meine Mutter ging in die Küche, um Streichhölzer für die Gasbeleuchtung zu holen. Plötzlich polterte es im Wohnzimmer. Ich lief in die Küche und sagte meiner Mutter, dass der Mann umgefallen sei.
So erinnert sich Anna fast acht Jahrzehnte später an jene Vorkommnisse: Erst nach dem Tod meiner Mutter erfuhr ich, dass dieser Mann mein Vater war: Der Afrikaforscher Carl Georg Schillings.
Zu seiner Zeit ein bekannter und sehr geachteter Mann, entschwanden diese Persönlichkeit und ihr vielseitiges Wirken mit den Jahren aus dem öffentlichen Bewusstsein, so auch innerhalb der Dürener Bevölkerung. Das Stadtmuseum Düren möchte dies mit seiner neuen Ausstellung ändern. Warum? Weil das Leben von Carl Georg Schillings so reich an Wendungen war und seine Anliegen auch 101 Jahre nach seinem Tod weiterhin aktuell sind. Weil seine Befürchtungen zum Aussterben der ostafrikanischen Tier-Vielfalt aktueller sind denn je. Weil das Thema Kolonialismus und die Aufarbeitung der kolonialen Vergangenheit Deutschlands auch an Düren nicht vorübergehen.
Doch beginnen wir mit einer vermeintlich einfachen Frage: Wer war eigentlich Carl Georg Schillings?
Ein geborener Dürener
Als dem Gutsbesitzer, Bürgermeister von Birgel und Lokalschulinspektor Carl Schillings und dessen Frau Antonia geb. Brentano 1865 ein Sohn geschenkt wird, ahnt niemand, dass dieser Junge einmal ein berühmter Pionier der Afrika-Forschung und Tierfotografie werden soll. Die Mutter aus dem bekannten Hause Brentano zu Frankfurt hat Vater Carl in Bonn geheiratet. Carls Eltern sind der aus Aachen stammende Königliche Preußische Oberförster Timotheus Schillings und dessen Frau Caroline Englerth, eine Tochter der Gründerin des Eschweiler Bergwerksvereins Christina Wültgens. Der kleine Carl Georg Schillings kann also auf prominente und sicher auch vermögende Verwandte blicken.
In der Oberstraße 26 in Düren erblickt er am 11. Dezember 1965 als erstes Kind seiner Eltern das Licht der Welt. Zwei Geschwister folgen, darunter der spätere bekannte Komponist und Dirigent Max Schillings. Mit dem Tod des Großvaters Timotheus Schillings im Mai 1871 tritt die Familie dessen Erbe an und siedelt auf den Weyerhof in Gürzenich über. Dieser Gutshof verfügt über einen ausgedehnten Waldbestand und einen rund 30 Hektar großen Park mit mehreren großen Weihern, der im Stile eines romantischen Landschaftsgartens mit verschiedenen pittoresken Parkgebäuden gestaltet worden ist. In diesem naturnahen und privilegierten Umfeld wächst Carl Georg Schillings auf. Auf dem Weyerhof ist dem kleinen Carl Gelegenheit gegeben, mit der Natur vertraut zu werden. Der bereits von den Großeltern bestens gepflegte Park und der angrenzende Wald geben dem Jungen die Möglichkeit, seine jugendliche Abenteuerlust voll auszuleben. Ab dem sechsten Lebensjahr erhält er zuhause gemeinsam mit seinem Bruder Privatunterricht von einem Lehrer.
Zwischen 1882 und 1886 wird Bonn zum temporären Wohnsitz, hier besucht Carl Georg das Königliche Gymnasium (heute Beethoven-Gymnasium) und besteht das Abitur. Weniger erfolgreich verläuft das anschließende Studium der Landwirtschaftsökonomie an der Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn, das er nach drei Jahren ohne Abschluss abbricht. Die anschließende Militärzeit bei der „Garde du Corps“, 5. Kompanie in Berlin, ist unerwartet kurz. Wegen einer diagnostizierten Lungenkrankheit und einer geschädigten Leber wird Carl Georg Schillings 1888 nach bereits zwei Jahren aus dem Dienst entlassen.
Passionierter Jäger und Reiter
Während sein Bruder Max früh die Musik für sich entdeckt, gelten Carl Georgs Interessen der Natur und insbesondere der Jagd. Diese Leidenschaft teilt er bereits als Jugendlicher mit seinem Vater, die beide dazu das weite Gelände des Weyerhofes nutzen. Sämtliche gefangenen oder geschossenen Tiere werden von dem passionierten Jäger akribisch in einem eigenen Schussbuch aufgeführt, das er 1882 von seinem Vater geschenkt bekommen hat. Sind es im ersten Jahr insgesamt 71 Tiere, wie zum Beispiel Hasen und Hühner, werden zwei Jahre später bereits 596 erlegte Tiere festgehalten. Der Verbesserung seiner Schießkunst dient das Tontauben-Schießen. Das Training zahlt sich aus: Schillings schneidet erfolgreich bei einem Schieß-Wettbewerb ab und stellt dort einen neuen Rekord auf. Darüber hinaus widmet er sich der Zucht und dem Abrichten von Jagdhunden, von denen auch einige namentlich im Schussbuch erwähnt werden. Nach vierzehn Jahren beendet Carl Georg Schillings seine Eintragungen in das Schussbuch. In diesem Zeitraum hat er insgesamt 6.055 Tiere selbst gefangen oder geschossen.
Neben der Jagd ist dem Gutsbesitzersohn auch das Reiten sehr vertraut: Er beherrscht es bereits seit frühster Kindheit. Seine Heimat Gürzenich ist in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts noch ein abgelegenes Dörfchen. Die Umgebung, Düren – und damit die Eisenbahn – sind nur mit Pferd oder Pferdewagen zu erreichen. Zudem erfolgt auch die regelmäßige Kontrolle der zum Weyerhof gehörenden landwirtschaftlichen Flächen reitend. Für Schillings ist das Reiten jedoch nicht nur Mittel zum Zweck. Er liebt die Arbeit mit Pferden und trainiert leidenschaftlich gerne seine Fähigkeiten. Bereits in den 1880er Jahren veranstaltet er erste Rennen in Gürzenich und der näheren Umgebung. Das finanzielle „Polster“ seines Vaters versetzt ihn in die Lage, gute Pferde zu erwerben und mit ihnen an den Veranstaltungen teilzunehmen, die meist von Erfolg für ihn gekrönt sind. Er professionalisiert sein Können und besucht ab 1887 auch größere Rennbahnen, z. B. in Aachen, Jülich, Krefeld oder Düsseldorf. Sogar in Mannheim und Berlin ist Schillings anzutreffen. Oft findet man seinen Namen auf den von der Presse veröffentlichten Siegerlisten. Die Preisgelder nutzt er, um sein kostspieliges Hobby weiter zu finanzieren. Die größten Erfolge verzeichnet er zwischen 1887 und 1897. In dieser Zeit erhält er auch Angebote anderer Pferdebesitzer, ihre Tiere zu trainieren oder gar selbst mit ihnen an Rennen teilzunehmen. Die Siegesnachrichten sammelt er akribisch in einem Ordner.
Auf dem Weyerhof legt Schillings auf einer Fläche von 350 Morgen Koppeln zur Aufzucht von jungen Pferden an. Ein „Springgarten“ genannter Hindernisparcours im Park des Gutes soll die Tiere auf ihren zukünftigen Einsatz bei Rennen vorbereiten.
1895 gewinnt er mit seinem Wallach Rufus das große Distanzrennen von Düsseldorf, bei dem es gilt, innerhalb von 24 Stunden einen Fußmarsch von 100 km zu absolvieren, bevor das eigentliche Reitrennen über weitere 100 km folgt. Dies bleibt Schillings größter Erfolg als Reiter. Zwei Jahre später bricht Rufus während eines Hindernisrennens tot zusammen.
Naturfreund und Forscher
Nachdem sein Bruder Max den Weyerhof verlassen hat, bewirtschaftet Carl Georg das Familiengut alleine. Mit großem Interesse widmet er sich der Gestaltung und Pflege des Parkgeländes. Um das Jahr 1890 fragt er beim Zoologischen Garten in Berlin u. a. um Wildenten für seine Weiher an. Nach einer positiven Antwort reist Schillings persönlich in die Hauptstadt und lernt im Zoologischen Garten zufällig dessen Direktor, Ludwig Heck, kennen. Diese Begegnung soll sich für Carl Georg Schillings‘ zukünftige Vorhaben als sehr hilfreich herausstellen.
Dank seiner privilegierten Familienverhältnisse verfügt Schillings über beste Verbindungen zu den bedeutenden Familien in Düren. So lernt er auch den Fabrikantensohn Max Schoeller kennen, der seine Leidenschaft für die Jagd und die Faszination für den großen und damals noch unbekannten afrikanischen Kontinent teilt. Da Carl Georgs standesbewusstes Denken von der zeitgenössischen Geisteshaltung geprägt ist, akzeptiert er auch das bestehende koloniale Herrschaftssystem in der damaligen Kolonie Deutsch-Ostafrika, als er diese 1896/97 erstmalig im Rahmen einer Expedition von Schoeller besucht. Dabei knüpft er wichtige Kontakte zu verschiedenen kolonialen Einrichtungen, so z. B. zur Deutsch-Ost-Afrika-Gesellschaft (D.O.A.G.). Diese nutzt er später für seine insgesamt drei längeren eigenständigen Expeditionen, auf denen er die vielfältigen Landschaften und Tierarten der Region erforscht.
Auf der ersten dieser Reisen wird der jagderfahrene Schillings von Schoeller mit der Aufgabe betraut, eine Sammlung der regionalen Fauna zusammenzustellen. Konkret gesagt handelt es sich dabei um die Sammlung, Katalogisierung und Betreuung von Trophäen – von geschossenen Wildtieren.
Bei allen Reisen besteht die Expeditionskarawane neben einigen Lastentieren aus mehreren hundert Personen. Dazu gehören u. a. angeheuerte Träger, die zum Teil Sklaven sind, die „Askari“ als persönliche Schutztruppe, ein Koch sowie weitere Bedienstete. Sie begleiten Schillings auf seinen langen und herausfordernden Märschen durch die abwechslungsreiche Naturlandschaft. Schillings ist stets umgeben von Arbeitskräften, die ihm zu Diensten stehen und ihn tatkräftig unterstützen.
Die Kolonie Deutsch-Ostafrika – das Expeditionsgebiet von Carl Georg Schillings
Das Gebiet des heutigen Tansania (mit Teilen Ruandas und Burundis) wird 1885 vom Deutschen Reich „erworben“. Auf der Berliner Afrika-Konferenz 1884/85 haben die einflussreichsten Kolonialmächte ihre Interessen abgesteckt und den Kontinent unter sich aufgeteilt. Auf dem Land der nun „Deutsch-Ostafrika“ genannten Kolonie leben zu diesem Zeitpunkt etwa acht Millionen Menschen. 90 % von ihnen gehören den Bantu an. Auch Angehörige der Massai und arabische Einwanderer aus dem Oman, die intensive Handelsverbindungen ins Landesinnere, nach Europa und in den Nahen Osten unterhalten, leben dort.
Flächenmäßig etwa doppelt so groß wie das Deutsche Reich, herrscht dort ein tropisches Klima und es gibt eine üppige Vegetation. Der Kilimandscharo, der höchste Berg Afrikas, wird mit Beginn der deutschen „Schutzherrschaft“ als „höchster Berg Deutschlands“ oder „Kaiser-Wilhelm-Spitz“ bezeichnet. Er wird zum Wahrzeichen der deutschen Kolonialpolitik, symbolisiert er doch die angestrebte „Weltgeltung“. Die Kolonialverwaltung bezieht ihren Sitz in der Küstenstadt Dar Es Salaam.
Bis 1913 ziehen rund 5.000 Deutsche nach Deutsch-Ostafrika. Für sie steht die wirtschaftliche Ausbeutung des Landes im Vordergrund. Sie errichten Plantagen für Kautschuk, Hanf, Baumwolle und Kaffee, die von Einheimischen unter sklavischen Umständen bewirtschaftet werden. Zur Verbesserung der Infrastruktur, u. a. für den Abtransport der Plantagen-Erzeugnisse, wird 1894 die erste Eisenbahnstrecke eröffnet. Bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs folgen weitere Strecken sowie Telegraphenstationen. Die deutsche Infrastruktur vor Ort erleichtert Carl Georg Schillings den Zugang in diese Region mit ihren Naturschätzen erheblich. Auch er kann bei seinen Expeditionen auf Sklaven als Arbeitskraft zurückgreifen.
Tierfänger und Fotograf
Auf die erste eigenständige Expedition, die dank seiner Tagebucheinträge sehr gut dokumentiert ist, begibt sich Carl Georg Schillings in den Jahren 1899 bis 1900. Finanziert wird diese Reise u. a. durch Landverkäufe oder Beleihungen. Ihre Kosten belaufen sich auf ca. 25.000 Goldmark (heute ungefähr 125.000 Euro). Die Jagd auf die heimischen Wildtiere Ostafrikas – das Hauptziel dieser Reise – dient vor allem der Erforschung der artenreichen und in Teilen noch unbekannten Tierwelt jener Region. Und so entdeckt Schillings mehrere neue Wildarten, u. a. eine neue Hyänen- und eine Giraffenart, die zukünftig seinen Namen tragen werden.
Neuentdeckte und nach Schillings benannte Wildarten in Ost-und Äquatorial-Afrika:
– die gestreifte Hyäne (Hyäne Schillingsi Mtsch)
– die Bergantilope (Orestragus Schillingsi Neum)
– der Pangani-Büffel (Buffulus Schillingsi Mtsch)
– die Kuhantilope (Bubalis Schillingsi Mtsch)
– die Zwerggazellen (Eudorcas Schillingsi, Eudorcas Ndjiriensis, Eudorcas Sabakiensis)
– die Geier (Pseudogyps Sabakiensis, Schillingsi Erl.)
– der Schillingsvogel (Gyps Schillingsi)
– die Giraffe (Giraffa Schillingsi Mtsch).
Abhängig von der Art und Größe der Tiere, werden diese entweder zunächst lebendig im Fangeisen gefangen und getötet oder auf der Pirsch geschossen. Direkt vor Ort werden die Tierkörper von einem Präparator und dessen Helfern fachmännisch bearbeitet. Die Häute und Hörner des Großwilds sowie Insekten und Vögel werden konserviert und für den Weitertransport ins Deutsche Reich vorbereitet. Von diesen Trophäen erhoffen sich deutsche Zoos und Naturkundemuseen einen wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn. Schillings erhält von den verschiedenen Institutionen regelrechte Auftragslisten.
Insbesondere auf dem Gebiet der Tier-Fotografie erweist sich Schillings als Pionier, denn ihm gelingt es als einem der Ersten, mit seinen speziellen Apparaturen und selbstgebauten Fotofallen, sensationelle Aufnahmen von unterschiedlichen Tieren in ihrer natürlichen Umgebung anzufertigen. Die benötigte Ausrüstung versucht er, bei allen folgenden Reisen bestmöglich an die örtlichen Gegebenheiten anzupassen.
„Photographische Apparate“ sind bereits bei Schillings erster Expedition nach Deutsch-Ostafrika Bestandteil des Gepäcks. Im Gegensatz zu seinen späteren Reisen entstehen aber nur wenige Aufnahmen für private Zwecke. Bei den folgenden Expeditionen verlegt Schillings den Fokus immer deutlicher vom Jagen auf das Erforschen und Sammeln. Der Direktor des Zoologischen Gartens in Berlin hat in ihm eine revolutionäre Idee geweckt: Anstelle der üblichen Häute, Skelette und Zeichnungen, die mit nach Deutschland gebracht werden, soll Schillings nicht nur lebende Tiere fangen, sondern insbesondere versuchen, diese in ihrem natürlichen Lebensraum zu fotografieren. Die Anfertigung solcher „Naturdokumente“ ist damals noch völlig unbekannt. Zwar gibt es bereits Tier-Aufnahmen, dabei handelt es sich jedoch meist um Standfotos von zahmen Haus- oder erlegten Wildtieren. Schillings soll der Wissenschaft nun erstmals die Gelegenheit bieten, ostafrikanische Wildtiere in ihrer natürlichen Umgebung zu betrachten und darüber ihr Verhalten und ihre Lebensumstände zu erforschen.
Aufwand und Leistung, die Schillings und seine Helfer für das Gelingen der Aufgabe erbringen müssen, sind aus heutiger Sicht kaum vorstellbar. Nicht nur müssen eine spezielle Kamera sowie eine bis dahin nicht existierende transportable Blitzlichtanlage entwickelt werden, die den Anforderungen der Expeditionen gewachsen sind, auch müssen bei der Reise über Monate kistenweise Fotochemikalien sowie tausende empfindliche Glasplatten transportiert werden.
Das Vorhaben gelingt: Schillings bringt sensationelle Aufnahmen von Antilopen, Hyänen, Löwen, Giraffen und zahlreichen anderen Wildtieren mit zurück, die in ganz Deutschland für Aufsehen sorgen und spätestens durch seine Veröffentlichungen in der ganzen Welt bekannt werden. Für viele Menschen bedeuten sie die erste Gelegenheit, die afrikanische Tierwelt mit eigenen Augen zu betrachten. Bis heute haben sich mehrere hundert dieser Aufnahmen erhalten – ein fotografischer Schatz!
Naturschützer und Schriftsteller
Seine umfangreiche Trophäensammlung zeigt er 1898 innerhalb einer Ausstellung in Berlin und verschenkt deren größten Teil an Kaiser Wilhelm II., wodurch das Königliche Museum für Naturkunde in der Hauptstadt des Deutschen Reichs neuer Besitzer wird. Zudem hält Schillings öffentliche Vorträge, veröffentlicht einzelne Schriften und steht mit den führenden deutschen Zoologen in Kontakt. Aus diesem Austausch entwickeln sich neue Forschungsansätze: Die Wildtiere sollen nicht nur geschossen und gefangen, sondern auch in ihrem natürlichen Lebensraum erkundet werden. Mit seinem umfangreichen Wissen über die Fauna Ostafrikas gelangt Carl Georg Schillings zu der Erkenntnis, dass der Mensch diese reichhaltige Tierwelt zerstört und deren Artenreichtum dadurch massiv bedroht ist. Fortan wird der Schutz dieser Tiere sein Hauptanliegen. Er nimmt 1901 als einziger Nichtfachmann an der Zoodirektoren-Konferenz in Berlin teil und folgt als Experte einer Einladung nach London zur ersten internationalen Wildschutzkonferenz.
Im gleichen Jahr erkennt auch die Stadt Düren den besonderen Wert der Trophäensammlung ihres inzwischen berühmten Sohnes und erwirbt sie. Ausgestellt wird sie wenige Jahre später im neu erbauten Leopold-Hoesch-Museum. Aus den gesammelten Erfahrungen verfasst Schillings sogar einen Entwurf für ein Jagdschutzgesetz. 1903 fließt dieser Entwurf in neue Jagdschutzgesetze für diese Kolonie ein.
Im Frühjahr 1902 folgt die zweite Expedition in den bereits vertrauten Teil Afrikas. Jedoch zwingen lebensbedrohliche Erkrankungen Schillings nach wenigen Monaten zum Abbruch und zur Rückkehr nach Deutschland. Bereits Anfang 1903 erfolgt Carl Georg Schillings‘ dritte und letzte Expedition nach Deutsch-Ostafrika. Dieser einjährige Aufenthalt dient neben der fotografischen Arbeit auch dem Fang lebendiger Tiere für den Zoologischen Garten in Berlin. So finden u. a. ein junges Nashorn, ein Stachelschwein und mehrere Löwen dort ein neues Zuhause.
Auf dem Weyerhof besuchen zahlreiche Verwandte und Bekannte den Reiserückkehrer, die neben den vielfältigen Trophäen, besonders von seinen abenteuerlichen Erzählungen begeistert sind. Immer häufiger wird er bedrängt, seine Erlebnisse festzuhalten und ein Buch zu veröffentlichen. Die Schriftstellerei ist Schillings nicht fremd, bereits 1887 hat er erste Texte in einer Jagdzeitschrift veröffentlicht. Sein Artikel „Jagd auf Raubvögel mit Hilfe des abgerichteten Uhus“ hat sogar so viel Beachtung gefunden, dass er 1889 unter dem Pseudonym „Hermit“ in einer französischen Übersetzung erschienen ist. Die ersten Sätze über seine Expeditionen nach Deutsch-Ostafrika bringt Schillings aber erst 1904 zu Papier. Ausschlaggebende „Motivation“ ist seine inzwischen prekäre finanzielle Situation: Die Afrika-Reisen haben einen Großteil seines Vermögens verschlungen. Einnahmen hat er nur durch Vorträge und Verkäufe von Trophäen an Museen sowie lebenden Tieren an Zoos. Das reicht auf die Dauer nicht aus, denn die Expeditionen haben insgesamt ca. 100.000 Goldmark (heute ca. 500.000 Euro) gekostet.
Im Herbst 1904 beginnt Schillings mit der Arbeit an einem ersten Buch „Mit Blitzlicht und Büchse“, das 1905 im Verlag R. Voigtländer erscheint. Das Werk soll vor allem der Verbreitung der einmaligen Tierfotografien dienen. Es wird ein durchschlagender Erfolg: Die erste Auflage ist bereits wenige Monate nach der Veröffentlichung vergriffen. Die Einnahmen retten Schillings aus seiner angespannten finanziellen Situation. Noch vor der Drucklegung einer neuen Auflage des Erstwerks folgt das zweite Buch „Der Zauber des Elelescho“. 1910 werden beide Bände zusammen in einer Volksausgabe veröffentlicht. Der Erfolg der Bücher bleibt über die Jahrzehnte bestehen: Bis in die 1950er Jahre werden sie immer wieder neu aufgelegt und verkaufen sich weit über 100.000 mal. Die englische Übersetzung „Flashlights in the Jungle“, erreicht sogar den amerikanischen Präsidenten Theodore Roosevelt, der Schillings einen anerkennenden Brief schreibt.
In den Jahren 1907 bis 1908 tritt Carl Georg Schillings in den Dienst des Auswärtigen Amtes in Berlin und entwirft ein Jagdschutzgesetz für Deutsch-Ostafrika. Dieses Vorhaben scheitert jedoch am großen internen Widerstand und so beendet Schillings enttäuscht seine dortige Tätigkeit.
Eine fünfte Reise auf den afrikanischen Kontinent geht 1911/12 nicht über die Planungsphase hinaus. Weiterhin versucht Schillings, durch die Veröffentlichungen „Die Tragödie des Paradiesvogels und des Edelreihers“ (1912) oder „Die Arche Noah“ (1914) auf den Vogelschutz bzw. Artenschutz aufmerksam zu machen. Er ist inzwischen engagiertes Mitglied im Deutschen Vogelschutzbund, heute als Naturschutzbund Deutschland (kurz NABU) bekannt. Dieser ist am 1. Februar 1899 von Lina Hähnle in der Stuttgarter Liederhalle gegründet worden und kämpft für den Schutz einheimischer Vögel. Carl Georg Schillings hat Lina Hähnle und ihren Mann nach seiner ersten Afrika-Expedition kennengelernt und drückt seine Unterstützung für den Vogelschutz vor allem in diversen Veröffentlichungen aus, die der Veranschaulichung der zahlenmäßigen Ausbeutungen, dem Aufruf zum Artenschutz und der Nennung bedrohter Tierarten dienen.
Das Ende eines bewegten Lebens und der lange Weg der Schillings-Sammlung
Mit nur 55 Jahren stirbt Carl Georg Schillings, dieser vielschichtige und umtriebige Mann, plötzlich und unerwartet, im Beisein seiner Tochter, an jenem Januarabend 1921 in Berlin. Die Beisetzung seiner Urne erfolgt im Familiengrab in Gürzenich. Seine Sammlung an Trophäen und Fotografien ist zum größten Teil noch erhalten und bis heute ein wichtiges Zeugnis seiner Zeit und somit ein großer Schatz für die Forschung. Doch nicht nur in Wissenschaftskreisen ist man an diesem Schatz interessiert – auch die Öffentlichkeit strömt über die Jahre immer wieder herbei, um sich die Präsentationen der Schillings-Sammlung, deren Weg bis heute so manche Station vorweisen kann, anzuschauen.
1905 wird die Sammlung erstmals im gerade neu erbauten Leopold-Hoesch-Museum ausgestellt. Mangels vorhandener Lagerfläche wird sie nach den Wirren des Zweiten Weltkriegs und der damit verbundenen Zerstörung Dürens am 16.11.1944, der sie glücklicherweise entgangen ist, auf dem Speicher der Ostschule deponiert. Dieser entpuppt sich als völlig unzureichender Lagerort, denn die empfindlichen Objekte und Dokumente sind dort Wind, Wetter und Dieben schutzlos ausgeliefert. So „verschwinden“ wichtige Teile der Sammlung auf Nimmerwiedersehen.
Erst der damalige Rektor der Ostschule Rinkens beschäftigt sich eingehender mit dem „Dachboden-Schatz“ und dekoriert verschiedene Bereiche der Schule mit ihm entnommenen Exponaten. Unter Rektor Jüdermann wird die zu diesem Zeitpunkt stark in Mitleidenschaft gezogene Sammlung in einem Kooperationsprojekt mit Schülerinnen und Schülern gesäubert, gesichert und im Schulgebäude ausgestellt. 1979 übergibt Jüdermanns Nachfolger die Sammlung offiziell wieder dem Leopold-Hoesch-Museum. 1985 nimmt sich schließlich der damalige Rektor der Hauptschule Gürzenich, Rolf Terkatz, ihrer an. Unter tatkräftiger Unterstützung der damaligen Leiterin des Leopold-Hoesch-Museums, Dr. Dorothea Eimert, richtet er in einem Kellerraum der Schule ein kleines „Schillings-Museum“ ein, das noch vielen Schülerinnen und Schülern in Erinnerung sein dürfte.
Die erste größere Schillings-Ausstellung außerhalb von Düren findet 1968 in den Räumen der Stadtsparkasse Aachen statt. Im Folgenden werden zahlreiche namhafte Museen und Einrichtungen in ganz Deutschland auf die faszinierenden Exponate aufmerksam. So wandern Teile der Sammlung als Leihgaben in immer neue Ausstellungen, die vor allem in Naturkunde- und Kunstmuseen gezeigt werden. Das renommierte Zoologische Forschungsmuseum Alexander Koenig in Bonn ist 1969 ebenfalls eine der ersten Institutionen, die große Teile der Schillings-Sammlung präsentiert. Auch das Naturkundemuseum in Karlsruhe, das Essener Folkwang-Museum und das Wallraf-Richartz-Museum in Köln reihen sich ein in die Riege der Schauorte. Seit 1997 werden einige Exponate in der Ausstellung der Stiftung Naturschutz auf der Drachenburg auf dem Drachenfels bei Königswinter gezeigt. Sie heben vor allem Carl Georg Schillings‘ Rolle bei der Entwicklung des Naturschutzes in Deutschland hervor.
Auch in Düren selbst zeigt man immer wieder großes Interesse an der Schillings-Sammlung. 1986 wird sie im Rahmen einer Ausstellung in den Räumen der Stadtsparkasse Düren gezeigt. 2001, im „Jahr des Sammelns“, stellt das Leopold-Hoesch-Museum zahlreiche Exponate aus. Auch im Stadtmuseum Düren ist sie aktuell nicht zum ersten Mal zu sehen: Bereits 2009 bis 2011 wird sie in den Räumlichkeiten an der Arnoldsweilerstraße präsentiert, muss aber schließlich aus Platzgründen wieder abgebaut werden.
In der aktuellen Ausstellung, die seit dem 23. Januar 2022 zu sehen ist, werden einige Exponate erstmalig der Öffentlichkeit gezeigt, darunter auch verschiedene persönliche Besitztümer von einem bis dato nie gewürdigten Mann: Schillings Reisebegleiter Wilhelm Orgeich.
Präparator, Begleiter, Freund – der Gürzenicher Wilhelm Orgeich
Wilhelm Orgeich wird am 23. April 1863 als Sohn des Schreiners Johann Orgeich und seiner Ehefrau Margarethe geboren. Ursprünglich als Gärtner auf dem Anwesen der Familie Schillings, dem Weyerhof in Gürzenich, beschäftigt, begleitet Orgeich als Mitglied der Expeditionen 1899 bis 1900 und 1903 bis 1904 Carl Georg Schillings nach Deutsch-Ostafrika (heute Tansania). Vom Reisegefährten entwickelt er sich dabei u. a. zu Schillings Krankenpfleger, der sich um ihn kümmert, wenn er wegen seiner Malaria-Infektion gepflegt werden muss. Er dient ihm als Assistent beim Kontrollieren und Einholen der in der Nacht von Wildtieren selbst belichteten Fotoplatten, ist als Tierfänger und -pfleger tätig und verantwortlich für die Präparation der geschossenen Tiere und deren Häute.
Bereits auf dem Weyerhof hat sich Orgeich an den Vorbereitungen zum Gelingen der Nachtaufnahmen beteiligt. Wo er das schwierige Handwerk des Präparators gelernt hat, ist unbekannt. Wahrscheinlich hat er sich die ersten Kenntnisse in seiner Zeit als Jäger angeeignet. Für seine Arbeit erhält er häufig höchstes Lob. So heißt es in einem Schreiben des Vorstandes des Königlichen Naturalien-Cabinets in Stuttgart aus dem Mai 1900: „Ich habe die Ehre Ihnen mitzuteilen, dass S. M. der König von Württemberg allergnädigst geruht haben, Ihnen die silberne Civil-Verdienst-Medaille zu verleihen in Anerkennung der Mühe und Sorgfalt, mit welcher Sie die Präparation und Conservierung der von Herrn Schillings in Afrika erlegten Tiere durchgeführt haben.“
Über die Jahre wird Orgeich zum treuen Freund für Schillings. Dieser bedenkt ihn sogar großzügig in seinem Testament, hinterlässt ihm neben einer großen Summe Bargeld und diversen persönlichen Besitztümern u. a. seine goldene Uhr, in die er die Inschrift „Für ausgezeichnete Dienste in Dankbarkeit“ gravieren lässt. Nach Schillings‘ Tod ist Orgeich wieder als Gärtner auf dem Weyerhof tätig.
Wilhelm Orgeich stirbt am 22. Februar 1954 im Alter von nahezu 91 Jahren. Die Ausstellung „Jäger, Forscher, Naturschützer – Auf den Spuren von Carl Georg Schillings“ beleuchtet erstmalig auch sein Leben und Wirken in verschiedenen Fotografien und persönlichen Besitztümern, die dem Stadtmuseum als Leihgaben seiner Nachkommen zur Verfügung gestellt wurden.
Deutsche Kolonialgeschichte ab dem 19. Jahrhundert – ein Überblick
Man kann nicht die Geschichte Carl Georg Schillings erzählen, ohne sich mit der deutschen Kolonialgeschichte auseinanderzusetzen, die es dem Gürzenicher überhaupt erst ermöglichte, die damalige Kolonie Deutsch-Ostafrika zu bereisen und deren Unrechtssystem ihm so manche Tür geöffnet hat:
Im Gegensatz zur britischen oder französischen ist die offizielle deutsche Kolonialgeschichte verhältnismäßig kurz. Obwohl der Ruf nach eigenen Kolonien spätestens seit den 1840er Jahren immer lauter erschallte, wurde erst 1884 mit „Deutsch-Südwestafrika“ (heute Namibia) der Grundstein für das (flächenmäßig) drittgrößte Kolonialreich gelegt. Noch im gleichen Jahr folgten weitere Gebiete in West- und Ostafrika.
Obwohl Reichskanzler Otto von Bismarck kolonialen „Erwerbungen“ skeptisch gegenüberstand, wurden unter seiner Kanzlerschaft die meisten getätigt. In Afrika waren das u. a. die Gebiete der heutigen Staaten Togo, Kamerun, Tansania und Namibia. Die Kolonien bezeichnete er als „Schutzgebiete“, wobei damit der Schutz des deutschen Handels gemeint war und nicht etwa der Schutz der lokalen Bevölkerung. Während Bismarck die Kolonien als Handelsstützpunkte betrachtete, sah der Deutsche Kolonialverein sie als Erweiterung des deutschen Herrschaftsbereichs. Eine Ortsgruppe dieser Organisation wurde übrigens schon 1884 auch in Düren gegründet.
Der wirtschaftliche Nutzen rückte gegenüber den politischen Zielen in den Hintergrund. Ein „Wettrennen nach Kolonialbesitz“ begann.
Als Siedlungsgebiete blieben die deutschen Kolonien unbedeutend. Bis 1914 ließen sich gerade einmal 23.000 Menschen dort nieder. Der Besitz der Kolonien sollte Vormachtstellung und „Weltgeltung“ des Deutschen Reichs vergrößern. Auf seinem Höhepunkt war die deutsche Kolonialmacht nach Großbritannien, Frankreich und den Niederlanden die viertgrößte der Welt. Deutsche Interessen wurden in allen Kolonien mit brutalsten Mitteln, sogar bis zum Völkermord, verteidigt.
Vor der Kolonisierung Deutsch-Ostafrikas bestimmten die arabischstämmigen Einwohner an der Küste den Handel. Gewinne warf dabei vor allem ein ausgedehnter Sklavenhandel ab. Als diese Gruppe ab 1885 zunehmend an Einfluss verlor, kam es immer häufiger zu gewaltsamen Widerständen, die durch die deutschen Kolonialisten blutig niedergeschlagen wurden. Auch Angehörige der Bantu widersetzten sich der Unterdrückung durch die Kolonialherrschaft und kämpften gegen die deutschen „Schutztruppen“, die aus Söldnern aus dem Sudan und Portugiesisch-Afrika (heute Mozambique) und deutschen Offizieren bestanden. Diese „Askari“ (arabisch „Soldaten“) galten als tapfer und treu. Sie wurden von der deutschen Kolonialverwaltung dafür bezahlt, die lokale Bevölkerung unter Kontrolle zu bringen. Spätestens ab 1890 gab es Unterwerfungsfeldzüge bis ins Hinterland der Kolonie.
Immer wieder kam es zu Auf- und Widerständen der lokalen Bevölkerung gegen die koloniale Fremdherrschaft, nicht nur auf dem Gebiet des heutigen Tansania. 1904 erhoben sich in Deutsch-Südwestafrika (heute Namibia) die Herero, denen sich wenig später die Nama anschlossen. Sie griffen Plantagen und Ortschaften an und ermordeten dabei über 120 Menschen. Die deutschen „Schutztruppen“ nahmen grausame Rache und agierten mit einer bis dahin unbekannten Brutalität. Bis Ende 1907 töteten sie – einem Vernichtungsbefehl folgend – nahezu zwei Drittel der Herero-Bevölkerung und etwa 10.000 Nama, was rund die Hälfte dieser Volksgruppe ausmachte. Der Aufstand gilt heute als erster Völkermord des 20. Jahrhunderts, doch erst im Jahr 2021 hat der Deutsche Bundestag dieses Verbrechen offiziell als Völkermord anerkannt – ein Zeichen für die späte Auseinandersetzung Deutschlands mit dem unbequemen Thema kolonialer Schuld.
1905 begann in Deutsch-Ostafrika der sogenannte „Maji-Maji-Krieg“, bei dem sich mehr als zwanzig verschiedene Volksgruppen vereinten, um gegen die Fremdherrschaft zu kämpfen. Die deutschen Truppen, die waffentechnisch deutlich überlegen waren, reagierten mit der „Strategie der verbrannten Erde“: Sie vernichteten Dörfer und Felder, um die Moral der Bevölkerung zu brechen und ihr die Lebensgrundlage zu entziehen. Den Kampf führten auch hier „Askari“. Schätzungen zufolge starben etwa 300.000 Menschen durch Gewalt und Hunger. Zahlreiche Widerständler wurden hingerichtet. Ihre Schädel und Gebeine schickte man „zu Forschungszwecken“ nach Deutschland. Bis heute lagern mehr als 1.000 Schädel von Widerstandskämpfern aus Deutsch-Ostafrika allein im Zentraldepot der Stiftung Preußischer Kulturbesitz.
Zwar wurde die Sklaverei in den deutschen „Schutzgebieten“ seit 1905 per Gesetz des Reichstags aufgehoben, doch das heißt nicht, dass die lokale Bevölkerung auf den Plantagen keine Sklavenarbeit verrichten musste. Die eingesetzten Arbeiter*innen verdienten durchaus Geld, das sie aber mitnichten behalten durften, sondern umgehend als Steuern wieder abzuführen hatten – an die deutsche Kolonialverwaltung. Körperliche Misshandlungen und das Anketten waren durchaus üblich. Der Besitz von persönlichen Haussklaven sollte erst ab 1920 untersagt sein, doch die 30-jährige Gewaltherrschaft der Deutschen endete ein Jahr zuvor.
Als nach dem Ersten Weltkrieg der Versailler Vertrag geschlossen wurde, musste Deutschland seine Kolonien in Afrika, Ozeanien und Asien wieder abgeben. Doch die Spuren – und Narben – des deutschen Kolonialreiches sind in den betreffenden Ländern bis heute zu finden. Im allgemeinen Bewusstsein der Deutschen nimmt die koloniale Vergangenheit und die daraus resultierende Verantwortung bisher nicht den Raum ein, der ihr zukommen muss. Die gründliche historische Aufarbeitung dieses dunklen Kapitels deutscher Geschichte steht noch aus.
Quellen:
Becker, Manfred: Bwana Simba – Der Herr der Löwen. Carl Georg Schillings. Forscher und Naturschützer in Deutsch-Ostafrika, Düren 2008.
Eimert, Dr. Dorothea: Frühe Sammlungen. In: 100 Jahre Leopold-Hoesch-Museum. 100 Jahre Museumsverein Düren. Herausgegeben von Dorothea Eimert und Irmgard Gerhards, Düren 2005, S. 70f.
Terkatz, Rolf: Geschichte der Schillingssammlung. In: 100 Jahre Leopold-Hoesch-Museum. 100 Jahre Museumsverein Düren. Herausgegeben von Dorothea Eimert und Irmgard Gerhards, Düren 2005, S. 72f.
https://www.kulturstiftung-des-bundes.de/de/projekte/bild_und_raum/detail/resist.html
http://rjm-resist.de/