Jäger, Forscher, Naturschützer – auf den Spuren Carl Georg Schillings'

Diese Ausstellung mit Inhalten aus den Beständen des Leopold-Hoesch-Museums und des Stadtmuseums sowie aktuellen Ergänzungen wurde am 21. Januar 2022 eröffnet – zum 101.* Todestag des berühmten Düreners. Sie lief bis zum 7. Mai 2023 und wurde dann zugunsten der neuen Ausstellung "Mach' Dir ein paar schöne Stunden – Dürener Kinogeschichte(n)" abgebaut.
Die Bestände – auch die des Stadtmuseums – gehen komplett wieder zurück ans Leopold-Hoesch-Museum und werden dort seit Januar 2023 von der Ethnologin Frauke Dornberg erstmals wissenschaftlich verzeichnet.

*Eine Eröffnung zum 100. Todestag war leider wegen der damals herrschenden Corona-Bestimmungen nicht möglich.


Biographische Daten

Geboren am 11. Dezember 1865 in der Oberstraße 26 in Düren als Sohn des Birgeler Bürgermeisters Carl Schillings und Johanna Antonia Schillings geb. Brentano. Geschwister Max Emil Julius (*19. April 1869) und Viktoria (*22. August 1870).
1871 Übersiedlung auf das Gut Weyerhof in Gürzenich
1882-1886 neuer Wohnort Bonn – Besuch des Königlichen Gymnasiums (heute Beethoven Gymnasium), mit Abitur
1883-1886 Studium der Ökonomie (Landwirtschaft) an der Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn – ohne Abschluss
1886-1888 Militärdienst in Berlin; frühzeitige Entlassung
1887-1897 größte Erfolge im Reitsport
1896/97 erste Expedition nach Deutsch-Ostafrika
1898 Trophäen-Ausstellung in Berlin – Schenkung des größten Teils der Sammlung an Kaiser Wilhelm II. – neuer Besitzer: Königliches Museum für Naturkunde in Berlin; öffentliche Vorträge und Veröffentlichungen
1899-1900 zweite Expedition nach Deutsch-Ostafrika; Anfragen und Aufträge für Tiersammlungen von deutschen Museen für Naturkunde
1901 Teilnahme an Zoodirektoren-Konferenz in Berlin als einziger Nichtfachmann und an erster internationaler Wildschutzkonferenz in London – Entwurf für Jagdschutzgesetz
1901 Erwerb der Schillings-Sammlung durch die Stadt Düren
1902 dritte Expedition nach Deutsch-Ostafrika
1903 vierte und letzte Expedition nach Deutsch-Ostafrika
1904 Transport von lebenden Wildtieren für Zoologischen Garten in Berlin; deutschlandweite öffentliche Vorträge
1905 Veröffentlichung des Buches „Mit Blitzlicht und Büchse“
1906 Veröffentlichung des Buches „Der Zauber des Elelescho“
1907-1908 Dienst im Auswärtigen Amt in Berlin; Entwurf für Jagdschutzgesetz für Deutsch-Ostafrika
1911/12 Planungen für fünfte Afrikareise
Am 29. Januar 1921 stirbt Carl Georg Schillings unerwartet in Berlin. Die Beisetzung der Urne erfolgt im Familiengrab in Gürzenich.


Weyerhof und Schillingspark in Gürzenich – Heimat Carl Georgs

Mit dem Schillingspark hat sich ein außergewöhnlicher Landschaftsgarten erhalten. Die Ursprünge der Anlage reichen in das Jahr 1486 zurück, als das Kloster Schwarzenbroich bei Merode sukzessive fünf Weiher für die Anlage einer Fischzucht erwirbt. Auch der benachbarte Gutshof, der heutige Weyerhof, gelangt in den Besitz des Ordens. Nach der Auflösung des Klosters im Zuge der Säkularisation 1803 erwerben Oberförster Timotheus Schillings und seine Frau, Carl Georgs Großeltern, den Gutshof samt Gelände. Timotheus Schillings wandelt das Terrain mit ausgedehntem Waldbestand und den Weihern in einen romantischen Landschaftsgarten um. Eine Vielzahl von Parkgebäuden, wie der „Mona-Lisa-Turm“ mit Grotte, das Fischerhäuschen und weitere pittoreske Pavillons, werden als Blickfang an die Ufer der Teiche gebaut.
Entlang eines Bachlaufs legt Schillings das sogenannte Friedenstal an, einen durch Felsbrocken und Bepflanzung wild-romantisch wirkenden Parkteil. Inseln im „Großen Weiher“ sind über sanft gebogene Knüppelholzbrücken zugänglich. Sitzbänke und Ruhesitze laden zum Verweilen ein. Ganz im Sinne der Gartenkunst der Epoche werden die natürlichen Gegebenheiten des Terrains für die Schaffung eines verwunschenen Landschaftsgartens genutzt. Besonders die historischen Wasserflächen werden dabei variantenreich in Szene gesetzt.
Der rund 30 Hektar große Park bleibt etwa 100 Jahre im Besitz der Familie Schillings, deren Namen er noch heute trägt. Carl Georg und seinen Bruder Max zieht es immer wieder dorthin. Carl Georg nutzt das weitläufige Gelände u. a. für die Jagd oder die Einrichtung einer Pferdezucht. 1991 wird die Anlage unter Denkmalschutz gestellt.


Schillings als Forschungsreisender

Auf insgesamt vier längeren Expeditionen lernt Carl Georg Schillings die damalige Kolonie Deutsch-Ostafrika kennen und erforscht deren vielfältige Landschaften und Tierarten.
Erstmalig reist er als Gast von Max Schoeller bei dessen Expedition 1896/97 nach Deutsch-Ostafrika. Beide stammen aus privilegierten Familienverhältnissen und teilen die Leidenschaft für die Jagd und die Faszination für diesen großen Erdteil. Wichtigstes Ziel ist die Zusammenstellung einer Sammlung der regionalen Fauna. Der erfahrene Schillings wird mit der Sammlung, Katalogisierung und Betreuung der Trophäen betraut. Bei diesem langen Aufenthalt sammelt er wertvolle Erfahrungen, die für die Planung seiner zukünftigen Unternehmungen sehr hilfreich sind. Zudem knüpft er wichtige örtliche Kontakte zu verschiedenen kolonialen Einrichtungen, so z.B. zur Deutsch-Ost-Afrika-Gesellschaft (D.O.A.G.).
Von 1899 bis 1900 begibt sich Carl Georg Schillings auf die erste eigenständige Expedition, die dank seiner Tagebucheinträge sehr gut dokumentiert ist. Finanziert wird diese Reise u.a. durch Landverkäufe oder Beleihungen und beläuft sich auf ca. 25.000 Goldmark (heute ungefähr 125.000 Euro). Dieser Aufenthalt dient sowohl der Fotografie freilebender Wildtiere als auch der Sammlung von Trophäen für deutsche Museen.
Im Frühjahr 1902 folgt die nächste Expedition in den bereits vertrauten Teil Afrikas. Den Fokus seiner Arbeit legt Schillings auf die Fotografie und den Fang von Tieren. Dementsprechend versucht er, die benötigte Ausrüstung bestmöglich an die örtlichen Gegebenheiten anzupassen. Lebensbedrohliche Erkrankungen zwingen Schillings jedoch nach wenigen Monaten zum Abbruch des Unternehmens und zur Rückkehr nach Deutschland.
Bereits Anfang 1903 erfolgt Carl Georg Schillings‘ letzte Expedition nach Deutsch-Ostafrika. Umfangreich ausgerüstet, dient dieser einjährige Aufenthalt neben der fotografischen Arbeit auch dem Fang lebender Tiere für den Zoologischen Garten in Berlin.


Schillings als Tierfänger

Die Leidenschaft für die Jagd ist zu Beginn einer der Hauptbeweggründe für Carl Georg Schillings‘ Expeditionen nach Deutsch-Ostafrika.
Bei all seinen Unternehmungen besteht die Expeditionskarawane aus mehreren hundert Personen. Dazu gehören u.a. angeheuerte Träger, die zum Teil Sklaven sind, die „Askari“, ein Koch sowie der Präparator Wilhelm Orgeich. Sie begleiten Schillings auf seinen langen und herausfordernden Märschen durch die abwechslungsreiche Naturlandschaft. Somit ist Schillings stets umgeben von Arbeitskräften, die ihm zu Diensten stehen und ihn unterstützen.
Die Jagd auf die heimischen Wildtiere Ostafrikas dient vor allem der Erforschung der artenreichen und in Teilen noch unbekannten Tierwelt jener Region.
Abhängig von der Art und Größe der Tiere, werden diese entweder zunächst lebendig mit Fangeisen gefangen und getötet oder auf der Pirsch geschossen. Direkt vor Ort werden diese Tierkörper von einem Präparator und dessen Helfern fachmännisch bearbeitet. Die Häute und Hörner des Großwilds sowie Insekten und Vögel werden konserviert und für den Weitertransport ins Deutsche Reich vorbereitet. Von diesen Trophäen erhoffen sich deutsche Zoos und Naturkundemuseen einen wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn. Schillings erhält von diesen eine regelrechte Auftragsliste.
Im Zuge dessen werden auch Versuche unternommen, gefangene Tiere lebendig von Deutsch-Ostafrika nach Berlin zu transportieren. So finden u.a. ein junges Nashorn, ein Stachelschwein sowie mehrere Löwen und Colobusaffen ein neues Zuhause im Zoologischen Garten in Berlin.


Schillings als Fotograf

„Photographische Apparate“ sind bereits bei Schillings‘ erster Expedition nach Deutsch-Ostafrika Bestandteil des Gepäcks. Im Gegensatz zu seinen späteren Reisen entstehen aber nur wenige Aufnahmen für private Zwecke.
Bei den folgenden Expeditionen verlegt Schillings den Fokus immer deutlicher vom Jagen auf das Erforschen und Sammeln. Der Direktor des Zoologischen Gartens in Berlin hat in ihm eine revolutionäre Idee geweckt: Anstelle der üblichen Häute, Skelette und Zeichnungen, die mit nach Deutschland gebracht werden, soll Schillings nicht nur lebende Tiere fangen, sondern insbesondere versuchen, diese in ihrem natürlichen Lebensraum zu fotografieren. Die Anfertigung solcher „Naturdokumente“ ist damals noch völlig unbekannt. Zwar gibt es bereits Tier-Aufnahmen, dabei handelt es sich jedoch meist um Standfotos von zahmen Haus- oder erlegten Wildtieren. Schillings soll der Wissenschaft nun erstmals die Gelegenheit bieten, ostafrikanische Wildtiere in ihrer natürlichen Umgebung zu betrachten und darüber ihr Verhalten und ihre Lebensumstände zu erforschen.
Aufwand und Leistung, die Schillings und seine Helfer für das Gelingen der Aufgabe erbringen müssen, sind aus heutiger Sicht kaum vorstellbar. Nicht nur müssen eine spezielle Kamera sowie eine bis dahin nicht existierende transportable Blitzlichtanlage entwickelt werden, die den Anforderungen der Expeditionen gewachsen sind, auch müssen bei der Reise über Monate kistenweise Fotochemikalien sowie tausende empfindliche Glasplatten transportiert werden.
Das Vorhaben gelingt: Schillings bringt sensationelle Aufnahmen von Antilopen, Hyänen, Löwen, Giraffen und zahlreichen anderen Wildtieren mit zurück, die in Deutschland für Aufsehen sorgen und spätestens durch seine Veröffentlichungen in der ganzen Welt bekannt werden. Für viele Menschen bedeuten sie die erste Gelegenheit, die afrikanische Tierwelt mit eigenen Augen zu betrachten. Bis heute haben sich viele dieser Aufnahmen erhalten – ein fotografischer Schatz!


Schillings als Autor

Als Schillings im Frühjahr 1900 von seiner zweiten Expedition aus Deutsch-Ostafrika zurückkehrt, sind ihm die Berichte über seine Reise bereits vorausgeeilt. Familienmitglieder, Freunde und Bekannte besuchen ihn in Gürzenich, um die Trophäen zu bewundern und seinen Erzählungen zu lauschen. Immer häufiger wird er bedrängt, seine Erlebnisse festzuhalten und ein Buch zu veröffentlichen.
Die ersten Sätze bringt Schillings erst 1904 zu Papier. Ausschlaggebende „Motivation“ ist seine inzwischen prekäre finanzielle Situation: Die Afrika-Reisen haben einen Großteil seines Vermögens verschlungen. Einnahmen hat er nur durch Vorträge und Verkäufe von Trophäen an Museen sowie lebenden Tieren an Zoos. Das reicht auf die Dauer nicht aus, denn die Expeditionen haben insgesamt ca. 100.000 Goldmark (heute ca. 500.000 Euro) gekostet.
Die Schriftstellerei ist Schillings nicht fremd, bereits 1887 hat er erste Texte in einer Jagdzeitschrift veröffentlicht. Sein Artikel „Jagd auf Raubvögel mit Hilfe des abgerichteten Uhus“ hat sogar so viel Beachtung gefunden, dass er 1889 unter dem Pseudonym „Hermit“ in einer französischen Übersetzung erschienen ist.
Im Herbst 1904 beginnt Schillings mit der Arbeit an einem ersten Buch „Mit Blitzlicht und Büchse“, das 1905 im Verlag R. Voigtländer erscheint. Das Werk soll vor allem der Verbreitung der einmaligen Tierfotografien dienen. Es wird ein durchschlagender Erfolg: Die erste Auflage ist bereits nach wenigen Monaten vergriffen. Bevor es zur Drucklegung einer zweiten Auflage kommt, erscheint bereits Schillings‘ zweites Buch: „Der Zauber des Elelescho“. 1910 werden beide Bände zusammen in einer Volksausgabe veröffentlicht.
Der Erfolg der Bücher bleibt über die Jahrzehnte bestehen: Bis in die 1950er Jahre werden sie immer wieder neu aufgelegt und verkaufen sich weit über 100.000 mal. Die englische Übersetzung „Flashlights in the Jungle“ erreicht sogar den amerikanischen Präsidenten Theodore Roosevelt, der Schillings einen anerkennenden Brief schreibt.


Vom Jäger zum engagierten Tierschützer

Wie schon sein Vater, so begeistert sich auch Carl Georg für die Jagd. Bereits als Jugendlicher geht er auf dem weitläufigen Gelände um den Weyerhof regelmäßig seiner Jagdleidenschaft nach. Sein Vater schenkt ihm ein Schussbuch, in dem er alle Jagderfolge akribisch dokumentiert. Neben der Jagd entwickelt er eine ausgeprägte Liebe zur Natur, die sich zunehmend auch in Verhaltensbeobachtungen von Tieren ausdrückt.
Bei seiner ersten Afrika-Expedition richtet Schillings sein Hauptaugenmerk entsprechend seiner Passion auf die Jagd nach Großwild. Er bringt eine umfangreiche Sammlung von Trophäen mit zurück, die auf reges öffentliches Interesse stößt und selbst von Kaiser Wilhelm II. wahrgenommen wird. Schillings kommt rasch mit führenden deutschen Zoologen und Wissenschaftlern in Kontakt. Diese entwickeln den für die Zeit ausgesprochen progressiven Gedanken, Wildtiere nicht nur zu erlegen und zu fangen, sondern auch ihren natürlichen Lebensraum zu erkunden. Somit folgen die späteren Expeditionen Schillings zunehmend dem Ziel der Erforschung der Tierwelt. Auf seinen Reisen eignet er sich nicht nur eine große Expertise rund um die Fauna Ostafrikas an. Er erkennt zudem, dass der vom Menschen betriebene Raubbau die reichhaltige Tierwelt Ostafrikas zu zerstören droht. Deren Erhaltung wird Schillings daher wichtiges Anliegen.
Als Experte zum Thema wird er 1901 zur ersten internationalen Wildschutzkonferenz nach London eingeladen. Schillings fasst anschließend seine Erkenntnisse aus Gesprächen mit Fachleuten in einem Entwurf für ein verbessertes Jagdschutzgesetz für Deutsch-Ostafrika zusammen. 1903 fließt dieser Entwurf in neue Jagdschutzgesetze für diese Kolonie ein. Von 1907 bis 1908 tritt Schillings sogar in den Dienst des Auswärtigen Amtes in die Abteilung für Kolonialangelegenheiten in Berlin. Ein erneuertes Jagdschutzgesetz für Deutsch-Ostafrika kann er jedoch nicht durchsetzen, da seine Vorschläge etwa zur Reglementierung der Jagd auf politischer Ebene auf große Widerstände stoßen. Als Konsequenz resigniert Schillings und verlässt das Amt wieder.


Präparator, Begleiter, Freund – Wilhelm Orgeich

Wilhelm Orgeich wird am 23. April 1863 als Sohn des Schreiners Johann Orgeich und seiner Ehefrau Margarethe geboren.
Ursprünglich als Gärtner auf dem Anwesen der Familie Schillings, dem Weyerhof in Gürzenich, beschäftigt, begleitet Orgeich als Mitglied der Expeditionen 1899-1900 und 1903-1904 Carl Georg Schillings nach Deutsch-Ostafrika (heute Tansania). Vom Reisegefährten entwickelt er sich dabei u. a. zu Schillings Krankenpfleger, der sich um ihn kümmert, wenn er wegen seiner Malaria-Infektion gepflegt werden muss. Er dient ihm als Assistent beim Einholen der in der Nacht von Wildtieren selbst belichteten Fotoplatten, ist als Tierfänger und -pfleger tätig und verantwortlich für die Präparation der geschossenen Tiere und deren Häute.
Wo er das schwierige Handwerk des Präparators gelernt hat, ist unbekannt. Wahrscheinlich hat er sich die ersten Kenntnisse in seiner Zeit als Jäger angeeignet. Für seine Arbeit erhält er häufig höchstes Lob. So heißt es in einem Schreiben des Vorstandes des Königlichen Naturalien-Cabinets in Stuttgart aus dem Mai 1900: »Ich habe die Ehre Ihnen mitzuteilen, dass S. M. der König von Württemberg allergnädigst geruht haben, Ihnen die silberne Civil-Verdienst-Medaille zu verleihen in Anerkennung der Mühe und Sorgfalt, mit welcher Sie die Präparation und Conservierung der von Herrn Schillings in Afrika erlegten Tiere durchgeführt haben.«
Über die Jahre wird Orgeich zum treuen Freund für Schillings. Dieser bedenkt ihn sogar großzügig in seinem Testament, hinterlässt ihm neben einer großen Summe Bargeld u. a. seine goldene Uhr, in die er die Inschrift „Für ausgezeichnete Dienste in Dankbarkeit“ gravieren lässt.
Wilhelm Orgeich stirbt am 22. Februar 1954 im Alter von nahezu 91 Jahren.


Erfolgreich auf dem Rücken der Pferde

Das Reiten beherrscht Carl Georg Schillings als Sohn eines Gutsbesitzers bereits seit frühester Kindheit. Seine Heimat Gürzenich ist in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts noch ein abgelegenes Dörfchen. Die Umgebung ist nur mit Pferd oder Pferdewagen zu erreichen. Zudem erfolgt auch die regelmäßige Kontrolle der zum Weyerhof gehörenden landwirtschaftlichen Flächen reitend.
Für Schillings ist das Reiten jedoch nicht nur Mittel zum Zweck. Er liebt die Arbeit mit Pferden und trainiert leidenschaftlich gerne seine Fähigkeiten. Bereits in den 1880er Jahren veranstaltet er erste Rennen in Gürzenich und der näheren Umgebung. Das finanzielle „Polster“ seines Vaters versetzt ihn in die Lage, gute Pferde zu erwerben und mit ihnen an den Veranstaltungen teilzunehmen, die meist von Erfolg für ihn gekrönt sind.
Ab 1887 besucht er auch größere Rennbahnen, z. B. in Aachen, Jülich, Krefeld oder Düsseldorf. Sogar in Mannheim und Berlin ist Schillings anzutreffen. Oft findet man seinen Namen auf den von der Presse veröffentlichten Siegerlisten. In dieser Zeit erhält er auch Angebote anderer Pferdebesitzer, ihre Tiere zu trainieren.
Auf dem Weyerhof legt Schillings auf einer Fläche von 350 Morgen Koppeln zur Aufzucht von jungen Pferden an. Ein „Springgarten“ genannter Hindernisparcours im Park des Gutes soll die Tiere auf ihren zukünftigen Einsatz bei Rennen vorbereiten.
1895 gewinnt er mit seinem Wallach Rufus das große Distanzrennen von Düsseldorf, bei dem innerhalb von 24 Stunden ein Fußmarsch von 100 km zu absolvieren ist, bevor das eigentliche Reitrennen über weitere 100 km folgt. Dies bleibt Schillings größter Erfolg als Reiter. Zwei Jahre später bricht Rufus während eines Hindernisrennens tot zusammen.


Die Geschichte der Schillings-Sammlung

Die Sammlung Carl Georg Schillings umfasst im Wesentlichen Zeugnisse seiner Afrika-Reisen. Sie dokumentiert Schillings‘ Tätigkeiten als Jäger, Sammler, Fotograf, Naturschützer und Autor. Die Sammlung enthält u. a. Tierpräparate und -fotografien, die Foto- und Jagdausrüstung Schillings sowie Dokumente und Bücher.
Die Stadt Düren erkennt bereits 1901 den Wert dieser Sammlung und erwirbt Teilbereiche im Laufe der Jahre. 1905 wird die Sammlung im Leopold-Hoesch-Museum ausgestellt. Nach dem Zweiten Weltkrieg wird sie mangels geeigneter Lagerfläche auf dem Speicher der damaligen Ostschule deponiert. Dort ist sie Wind, Wetter und Dieben schutzlos ausgeliefert. Die Sammlung nimmt dabei erheblichen Schaden: So werden Teile der Jagdausrüstung entwendet, etliche Fotoplatten werden – achtlos auf dem Boden liegend – zertreten. Rektor Rinkens weckt die wertvolle Sammlung aus ihrem Dornröschenschlaf und schmückt einige Bereiche der Schule damit.
Unter Rektor Jüdermann wird die stark in Mitleidenschaft gezogene Sammlung – unter Mithilfe von Schülerinnen und Schülern – gesäubert, gesichert und im Gebäude ausgestellt. Die Gruppe gestaltet ab 1968 zudem erste lokale Ausstellungen.
Jüdermanns Nachfolger übergibt die Sammlung 1979 dem Leopold-Hoesch-Museum. 1985 nimmt sich der damalige Rektor der Hauptschule Gürzenich, Rolf Terkatz, der Sammlung an. Terkatz kennt die Schillings-Sammlung von seiner zurückliegenden Zeit als Lehrer an der Ostschule. Er erachtet Gürzenich als passenden Ort für die Ausstellung der Sammlung. Mit Unterstützung der Museumsleiterin Dr. Dorothea Eimert richtet er in der Schule eine Art „Schillings-Museum“ in einem Kellerraum ein. Dieses kann von Interessierten auf Nachfrage besucht werden.
2009 gelangen die Exponate für eine Ausstellung ins Stadtmuseum Düren. 2011 wird diese abgebaut, große Teile der Schillings-Sammlung, darunter alle Fotoplatten, kehren ins Leopold-Hoesch-Museum zurück.


Klänge aus Afrika – Schillings Wachswalzen für Phonographen

Bestandteil der Schillings-Sammlung sind zahlreiche Wachswalzen, sogenannte Edison-Walzen für Phonographen. Hierbei handelt es sich um ein Medium für die Aufzeichnung von Geräuschen, das der US-Amerikaner Thomas Alva Edison im ausgehenden 19. Jahrhundert erfunden und weiterentwickelt hat: Dieser fängt Schallschwingungen über einen Trichter ein. Die Schwingungen werden von einem Schneidwerkzeug in einen Hohlzylinder aus Wachs eingraviert und die Klänge somit in Wachs konserviert. Der Nachteil der Walzen ist ihre fragile Beschaffenheit. Selbst in den aus Pappe gefertigten Dosen tritt unter ungünstigen klimatischen Bedingungen – wie Feuchtigkeit und Temperaturschwankungen – Schimmelbefall auf, der die Oberfläche der Walze unwiederbringlich zerstört. Schillings nutzt diese frühe Aufnahmetechnik, um auf einer oder mehreren Afrika-Reisen u. a. Tiergeräusche und Klänge der Massai aufzuzeichnen.
Somit zeigen sich viele der Wachswalzen Schillings‘ rund 120 Jahre nach ihrem Einsatz in Afrika in desolatem Zustand: zerbrochen, durchlöchert oder eben mit Schimmel überzogen. Dennoch gelingt es Prof. Glöckner aus Düren 2017, mit Hilfe eines Phonographen einzelne Wachswalzen zum Klingen zu bringen und Tonreste nach umfangreichen Vorarbeiten wieder hörbar zu machen. Neben Probeaufnahmen mit dem deutschen Volkslied „Guter Mond, du gehst so stille“ und Tierstimmenimitationen durch Massaikrieger ist Carl Georg Schillings selber bei einer Ansprache im Fort Moschi zu hören: ein sensationelles Tondokument, das aus seinem Dornröschenschlaf geweckt wurde.


Die Schillings-Sammlung auf Wanderschaft

Mit der ersten größeren Präsentation der Schillings-Sammlung in den Räumen der Stadtsparkasse Aachen 1968 werden zahlreiche namhafte Museen und weitere Einrichtungen deutschlandweit auf diesen Schatz aufmerksam. Sie greifen für eigene Ausstellungen immer wieder auf Teile der Sammlung zurück, was deren Bedeutung deutlich macht. Darunter sind besonders Naturkunde- und Kunstmuseen zu nennen:
Das Zoologische Forschungsmuseum Alexander Koenig in Bonn zeigt beispielsweise 1969 große Teile der Sammlung. 1997 schöpft die Stiftung Naturschutz auf der Vorburg von Schloss Drachenfels aus der Sammlung, um Schillings‘ Rolle für die Entwicklung des Naturschutzes in Deutschland aufzuzeigen. Das Naturkundemuseum Karlsruhe widmet sich 2004 im Rahmen einer Sonderausstellung u.a. Carl Georg Schillings. Das Essener Museum Folkwang integriert Fotos aus der Sammlung 2006 in eine Ausstellung. Auch das Wallraf-Richartz-Museum in Köln integriert 2007 Tieraufnahmen Schillings in eine Sonderausstellung.
In Düren zeigt man ebenfalls wiederholt Interesse an der Schillings-Sammlung. Sie wird 1986 in den Räumen der Stadtsparkasse Düren gezeigt. 2001 stellt das Leopold-Hoesch-Museum im „Jahr des Sammelns“ zahlreiche Exponate der Sammlung aus. Bis 2011 ist sie erstmals im Stadtmuseum Düren zu sehen, wird aber aus Platzgründen wieder abgebaut. 2022 folgt die aktuelle Ausstellung im Stadtmuseum.
Im Anschluss an diese wird die Sammlung wieder in ihre offizielle Heimat ins Leopold-Hoesch-Museum zurückkehren.


Deutsche Kolonialgeschichte ab dem 19. Jahrhundert

Im Gegensatz zur britischen oder französischen ist die offizielle deutsche Kolonialgeschichte verhältnismäßig kurz: Obwohl der Ruf nach eigenen Kolonien spätestens seit den 1840er Jahren immer lauter erschallt, wird erst 1884 mit „Deutsch-Südwestafrika“ (heute Namibia) der Grundstein für das (flächenmäßig) drittgrößte Kolonialreich gelegt. Noch im gleichen Jahr folgen weitere Gebiete in West- und Ostafrika.
Obwohl Bismarck kolonialen Erwerbungen skeptisch gegenübersteht, werden unter seiner Kanzlerschaft die meisten getätigt. In Afrika sind das u. a. die Gebiete der heutigen Staaten Togo, Kamerun, Tansania und Namibia. Die Kolonien bezeichnet er als „Schutzgebiete“, wobei damit der Schutz des deutschen Handels gemeint ist. Während Bismarck sie als Handelsstützpunkte betrachtet, sieht der Deutsche Kolonialverein sie als Erweiterung des deutschen Herrschaftsbereichs. Der wirtschaftliche Nutzen rückt gegenüber den politischen Zielen in den Hintergrund. Ein „Wettrennen nach Kolonialbesitz“ beginnt. Als Siedlungsgebiete bleiben die deutschen Kolonien unbedeutend. Bis 1914 lassen sich gerade einmal 23.000 Menschen dort nieder.
Der Besitz der Kolonien soll Vormachtstellung und „Weltgeltung“ des Deutschen Reichs vergrößern. Auf seinem Höhepunkt ist die deutsche Kolonialmacht nach Großbritannien, Frankreich und den Niederlanden die viertgrößte der Welt. Deutsche Interessen werden in allen Kolonien mit brutalsten Mitteln, sogar bis zum Völkermord, verteidigt.
Als nach dem Ersten Weltkrieg der Versailler Vertrag geschlossen wird, muss Deutschland seine Kolonien in Afrika, Ozeanien und Asien wieder abgeben. Doch die Spuren – und Narben – des deutschen Kolonialreiches sind in den betreffenden Ländern bis heute zu finden.
Im allgemeinen Bewusstsein der Deutschen nimmt die koloniale Vergangenheit und die daraus resultierende Verantwortung bisher nicht den Raum ein, der ihr zukommen muss. Die gründliche historische Aufarbeitung dieses dunklen Kapitels deutscher Geschichte steht noch aus.